Do.21.09.06 - Mi. 27.09.06
Über das Altiplano zum Titicacasee
Über eine Woche waren wir mit Recherchen und Filmarbeiten beschäftigt, dann ging's weiter zum höchstgelegenen schiffbaren Binnensee der Welt, zum Titicacasee.
(3825 m)
Bevor wir die Region Potosi auf guter Asphaltstrasse verließen, senkte sich eine Schranke bei einer Maut Station. Der Eintrag in ein übergroßes Registrierbuch
kostete 2 Bolivianos, die Strassengebühr 10 Bs. ich gab dem Buchführer einen zwanziger, zu spät merkte ich, dass ich mit sehr viel Kleingeld nur 5 zurückbekam,
eine "freiwillige Gabe" also, für schlecht verdienende Beamte.
Dafür entschädigte uns ein wunderbarer Übernachtungsplatz an einem kleinen See bei Tarapaya mit 32° Grad warmem Thermalwasser. Pos. S: 19.28.040 / W: 065. 47.710.
H: 3418
Mit Dynamit gegen Moula Moula.
Auf der Weiterfahrt nach Oruro standen wir plötzlich in einem Kilometerlangen LKW-Stau. Wie so oft in Bolivien, ein Protestakt gegen die Regierung in La Paz. Kein
Gegenverkehr, ich tastete mich links an den LKWs entlang bis an den Anfang der Ursache. Ein auf einem Schienenübergang quergestellter Eisenbahnwagon verhinderte
ein Weiterkommen. Ich versuchte beim "Rädelsführer" durch Gespräche eine Passage zu bekommen, nur gegen 100.- US Dollar, gab er mir zur Antwort.
Um mich besoffene Radikale, einer spielte mit einer Zündschnur, ein anderer hatte einen Teil einer Dynamitstange in der Hand. Kurz darauf zeigte mir eine gewaltige
Detonation neben Moula Moula wo unser Weg hinzuführen hatte, "zurück". Die nächsten 2 Tage verbrachten wir in der Nähe von Bergbauern, dann war die Strasse wieder
frei bis La Paz. Die größte Stadt des Landes liegt spektakulär in einer gewaltigen Talsenke. Zwischen dem Indio-Stadtteil El Alto und dem Villenviertel der Reichen
im äußersten Süden von La Paz liegen fast 1000 Höhenmeter.
Indio-Marktfrauen
Wir kamen bei El Alto, dem Indio-Stadtteil an. Kilometerweit stehen Lehmhütten beidseitig der Strasse auf Müllhalden, verdreckte Autowerkstätten, dazwischen kleine
Verkaufsläden in denen man offenes Motorenöl neben frisch gebackenem Brot bekommt.
Moula Moula ohne Nafta.
Über die in serpentinen verlaufende Autopista wollten wir in das Zentrum von La Paz. Tausende protestierende, grölende und fahnenschwingende Indios blockierten die
Strasse. Dynamitstangen Explodierten, Schüsse fielen. Selbst die Polizei war machtlos gegen diese Massen und verdrückte sich.
Dasselbe hatten wir vor und versuchten so schnell wie möglich aus diesem Hexenkessel herauszukommen. Auf dem nahen, gesicherten Flugplatz fanden wir Schutz. Der
höchstgelegene Flughafen der Welt (3880 m) hat von außen einen Militärischen "Anstrich". Die Abflughalle hingegen versprüht den Charme eines Fliegerkasinos der
50er Jahre. Bei der Flughafenpost gaben wir noch ein Päckchen für unsere Enkel auf und eine CD für unsere Web-Site. Sieben Tage sollte der Postweg nach Alemania
dauern, fast 7 Wochen sind es geworden. So verzögerten sich auch deswegen unsere Reiseberichte. Durch die Blockaden der Protestierenden gab es im ganzen
Stadtgebiet keinen Diesel mehr. Einige Tankstellen verkauften ihren Rest zu maßlos übertriebenen Preisen. Wir klapperten einige Tankstellen ab und hatten doch noch
Glück. Mit dem Einsehen des Tankwarts bekamen wir schließlich noch 200 Liter zum Normalpreis. Nichts wie weg aus dieser ungemütlichen Gegend.
Kon- Tiki, ein Jugendtraum holte mich ein.
Als junger Bub habe ich mir die Abenteuerbücher von "Kon Tiki und der RaII" in der Ludwigsburger Stadtbibliothek ausgeliehen und fast verschlungen.
An diesem Platz wurde "Ra II" und die "Tigris" gebaut.
Wir trafen auf Paulino Esteban, er ist der Sohn des Meisteringenieurs für Totorahboote. Anfang 1970 trat der norwegische Ethnologe und Naturforscher Thor Heyerdahl
mit ihm in Kontakt, sie konstruierten und bauten die Ra II, die dann von Marokko nach Barbados in See stach. Danach wurde noch das Schilfboot "Tigris" gebaut, das
allein durch Wind und Meeresströmung vom Irak nach Afrika gelangte, wo Thor Hayerdahl aus politischem Protest das Boot in Flammen aufgehen ließ. Paulino zeigte uns
Bilder vom Bau der Ra II und signierte Bücher von Thor Heyerdahl mit seiner Kon-Tiki.
Ein aus Totorahschilf gebautes Boot
Am Abend aßen wir in einem Seerestaurant, mit tollem Ausblick, frisch gefangene und einmalig zubereitete Truchas (Forellen), mit einem guten Tropfen bolivianischem
Wein. Wir hatten es an diesem Abend nicht mehr weit, denn der Restaurantparkplatz war unser Nachtplatz.
Copacabana, zwischen Glaube und Aberglaube
An der 800 Meter schmalsten Stelle des Sees ließen wir uns am nächsten Tag auf einem schwankenden Khan auf die Halbinsel Copacabana übersetzten. Unser trautes Heim
war für diesen Pott eigentlich viel zu schwer, war aber auf diesem Weg die einzige Möglichkeit auf die Insel zu kommen.
Mir wurde zum ersten Mal auf dieser Reise richtig schlecht, kotzübel, wie ich mit ansehen musste wie sich Moula Moula ungesichert, auf vermoderten Planken stehend,
aufschaukelte. Er drohte fast umzukippen und über Bord zu gehen. Um mich abzulenken habe ich gefilmt. Auch dieser Teil unserer Reise nahm ein gutes Ende und nach
40 Km Asphalt, erreichten wir den gleichnamigen Pilgerort Copacabana.
Am Vorplatz der strahlend weißen Kathedrale hatten wir einen guten Stellplatz und waren schon sehr gespannt auf den nächsten Tag. Denn an jedem Wochenende stellen
die "Cholos", eine unterprivilegierte Indiogruppe, ihre mit Blumen und Papierschlangen dekorierte Blechlawine in Reih und Glied vor der Kathedrale auf. Geduldig
erbeten sie dann den Segen der Kirche.
Ein VW-Bulli wird auf ein "langes Leben" vorbereitet
Chromblitzende Luxuslimousinen, herausgeputzte Schrottautos und klapprige LKWs erhalten dann im lauf des Tages von Franziskanermönchen den traditionellen Segen der
schwarzen Madonna von Copacabana, ohne den sich kaum ein Fahrer auf die abenteuerlichen Pisten Boliviens traut. Wer nicht so lange auf "Gottes Segen" warten
konnte, begann selbst mit der "Einweihung".
Sekt, Bier und Schnaps floss nicht nur durch die durstigen Kehlen sondern wurden auch übers "heilige Blechle" gespritzt. Motorblöcke, Reifen und vor allem das
Lenkrad wurde kübelweise mit "Weihwasser" getränkt.
Die umliegenden Marktstände boten Spielzeugautos, Plastikhäuser, Pupen und bündelweise falsche US- Dollars und Euro Scheine zum Autokult an. Monopoly lässt grüßen.
Mit diesen Accessoires erbeten sich die Indios bei der Einweihung ein Eigenheim, Reichtum und Wohlstand, Kindersegen und den Beistand der Pachamama den die
schwarze Madonna von Copacabana verkörpert. Bevor Jacques Cousteau mit seinen Mini-Tauchbooten die Tiefen des Titicacasees erforschte, ließ er sogar seine U-Boote
an dieser Stelle einweihen.
Ein Franziskanermönch lud uns auf einen Rundgang durch die heiligen Stätten der Kathedrale ein und erzählte uns vor der Kamera von alten Traditionen des
Pilgerortes und von den Hintergründen des Autokults. Am Strand des malerischen Ortes herrschte am Spätnachmittag lebendiges, indianisches Leben. Hier fühlten wir
uns wohl und aßen nochmals Trucha, Forelle vom feinsten. Wir blickten staunend und stumm auf den See der Götter, bis die letzten Strahlen des Sonnenuntergangs die
Wasseroberfläche in flüssiges Gold verwandelten.
Ein Atahualpa Erbe mit einem letzter Gruß von den Klippen Copacabanas, am bolivischen Titicacasee
Unser Lebenstraum Weltreise geht weiter.
Nächster Bericht: Peru - bei Atahualpas Erben
Von Cuzco, Macchu Picchu und Maria Reiche.
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